Hier die Entstehungsgeschichte des Brunnens auf dem Friedhof in Linn

Und so hat alles angefangen:

Schon seit Jahrzehnten war der alte Brunnen baufällig und auch nicht durch Restaurierungs- und Instandsetzungsarbeiten zu retten. Die Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt ergriff die Initiative, indem sie an unsere Firma herantrat und um einen Entwurf für einen neuen Brunnen bat.

Begeistert von dieser Aufgabe beschäftigte ich mich mit dem Thema Brunnen und der Geschichte des Stadtteil Linns.
Entstanden ist ein Werk, das sich mit der Tradition der Textilherstellung in Linn und ihrer prägenden Wirkung auf unseren Sprachgebrauch und der Lebensphilosophie „Jeder Mensch hängt am Faden seiner eigenen Spinnerei“ auseinandersetzt.
Ein Gewebe in klassischer Leinwandbindung, das um die gesamte Stele läuft. Im unteren Bereich die einzelnen Bänder, die fragmentarisch um das Becken laufen.

"Fangen sie an sich zu weben oder lösen sie sich bereits wieder auf?"

Von der ersten Handskizze, über verschiedene kleine Modelle bis zum endgültigen 1:1 Entwurf hat es einiges an Arbeit erfordert:

Brunnen in Linn

An Hand mehrerer Modelle, die ich zunächst aus Papier, später aus Stein herstellte, habe ich mich mit den grundlegenden Fragen der Gestaltung und des Materials auseinandergesetzt.

Nachdem auch endlich - durch Covid 19 stark verzögert - das Material eintraf, kam die Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt, um sich das Material und den 1:1 Entwurf anzuschauen:

Entwurf

Danach konnte es endlich mit der Arbeit losgehen!

Begonnen habe ich mit der Stele, die arbeitstechnisch fast so aufwendig wie das gesamte Becken war. In mühevoller Handarbeit mussten die einzelnen Felder, sogenannte Vierungen, ausgearbeitet werden. Es waren über 100 Stück. Zusätzlich wurde die Fläche im unteren Bereich abgefräst und anschließend geschliffen.

Handarbeit
Arbeiten mit der Flex

Mit der Flex wurden die einzelnen Bänder anschließend zu einer Auf- und Abbewegung modelliert:

Schleifstufen

Die verschiedenen Schleifstufen bis zum Feinschliff gaben den Bändern ihre jetzige Farbe. Damit das Gewebe eine Art Stofflichkeit erhielt, bei der einzelne Fäden sichtbar werden sollten, setzte ich als letzten Schritt gröbere Schleifspuren in die dunklen Bänder.

Das Ergebnis sah dann anschließend so aus:

Ergebnis

Die eben beschriebenen Arbeitsschritte führte ich für alle vier Seiten der Stele aus, sodass die Stele, wie wir sie heute kennen, entstand.

Nach Fertigstellung der Stele ging es mit dem achtteiligen Becken weiter. Auch hier sollte jedes Stück einzeln bearbeitet werden. Anders als bei der Stele, sollten sich die Bänder in die Fläche reinziehen – so, als ob sie das Becken
zusammenhielten. Einige Bänder laufen auch über den Beckenrand. So wird das gesamte Becken in die Gestaltung mit einbezogen. Hier einige Fotos vom Arbeitsprozess:

Becken
Spruch

Als letzter Schritt wurde bei sieben der acht Stücke ein Teil des Spruches

„Jeder Mensch hängt am Faden seiner eigenen Spinnerei“

eingemeißelt:

Spruch

Bei einem Stück wurde kein Wort eingemeißelt. Stattdessen haben wir hier eine Lochbohrung für einen Wasserhahn eingearbeitet, aus dem die Linner Bürger heute bequem Wasser zapfen können.

Während ich mit der Ausarbeitung des Brunnens beschäftigt war, wurde parallel auf dem Friedhof der alte Brunnen entfernt. Das Fundament unter dem alten Brunnen war marode, sodass ein neues erstellt werden musste. Auch die Wasserleitungen, der Pumpenschacht und die elektrischen Leitungen wurden vorbereitet.

Im Juni 2021 war es dann endlich soweit: der Brunnen konnte aufgestellt werden! Kein leichtes Unterfangen mit acht auf Gehrung zugesägten Stücken, die alle jeweils mit zwei Edelstahldübeln versehen sind und auf Position geschoben
werden mussten.

Modellierung

Zum Glück hatte ich unseren Altgesellen Wolfgang Schüttler an meiner Seite, der sich vorher viele Gedanken um einen reibungslosen Aufbau gemacht hatte.

Nach einem langen Arbeitstag stand schließlich am Abend um 21.30 Uhr das Becken. Ein paar Tage später setzten wir dann auch die Stele.

Stele

Inzwischen laden auch Bänke, die um den Brunnen aufgestellt wurden, zum Verweilen und Nachsinnen ein.

Stele

Laura Heinrichs,
Steinbildhauerin